"Dreamer", "School", "The Logical Song", "Give a Little Bit", "Crime Of The Century", "Breakfast in America"... Wer kennt sie nicht, die Klassiker und Single-Bestseller von Supertramp. Zweifelsohne gehört die 1969 gegründete britische Band mit langjähriger Wahlheimat Los Angeles zu den ganz großen Namen der Rockmusik, zu den wenigen wirklichen "Superstars", deren Musik bis heute im kollektiven Gedächtnis von Generationen von Pop- und Rockfans fest verankert ist. In ihrer mehr als drei Dekaden umspannenden Karriere verkaufte die Gruppe über 50 Millionen Platten und absolvierte zahlreiche Welttourneen. Auftritte vor 40.000 und mehr Zuschauern pro Abend waren dabei ebenso die Regel wie Shows, die in Inhalt und Ablauf das Perfekteste präsentierten, was Rockmusik in den 70er und 80er Jahren zu bieten hatte.
0 Nach dem Album "Some Things Never Change" und dem ultimativen Live-Dokument "It Was The Best Of Times" melden sich Supertramp nun in alter Frische mit ihrem elften Studioalbum "Slow Motion" zurück. Für die Aufnahmen und die im April startende Tournee unter dem Motto "One More For The Road" mit allein 16 Terminen in Deutschland -so viel wie nie zuvor - hat sich Supertramp-Gründer Rick Davies erneut mit seinen langjährigen Mitstreitern John Helliwell (Saxophon) und dem aus Kalifornien stammenden Schlagzeuger Robert Siebenberg zusammengetan. Beide stehen seit "Crime Of The Century", jenem Album von 1974, das den Durchbruch der Band markierte, an der Seite des Sängers, Songschreibers und Keyboarders, der nach 23 Jahren in Los Angeles ("L.A. ist nicht der Ort, wo man alt werden möchte.") nach Long Island gezogen ist. John Helliwell hingegen ist 1992 in seine alte Heimat nach Yorkshire, England zurückgekehrt.
Wie bereits auf der mit einem Pollstar Award ("Performance Artist Comeback Of The Year") ausgezeichneten letzten Europa- und Nordamerika-Tournee von 1997 wird das Triumvirat auch diesmal von Cliff Hugo (Bass), Carl Verheyen (Gitarre), Mark Hart (Keyboards, Gitarre, Gesang) und Bobs Sohn Jesse Siebenberg (Percussion) begleitet. Für die markanten Trompeten- und Posaunen-Akzente zeichnet Lee R. Thornburg verantwortlich, bekannt aus der Band von Jay Lenos Late Night Show.
"Musikalisch gesehen ist das die beste Besetzung, die Supertramp je hatte", schwärmt der 57-jährige Davies. "Die Publikumsresonanz auf der letzten Tournee war trotz der langen Bühnenabstinenz absolut phantastisch. Das hat uns bestärkt, weiter Musik zu machen und auch wieder live zu spielen. Es ist nicht so, dass wir das jedes Jahr realisieren könnten. Wir alle wohnen weit auseinander und führen unser eigenes Leben außerhalb von Supertramp. Aber es macht immer noch großen Spaß, Songs und Arrangements zu schreiben, und es ist schön, unser Repertoire durch einige neue Songs zu ergänzen. Auch wenn es uns schon lange gibt, ist die Menge unserer Songs nicht besonders umfangreich."
Supertramp haben sich eben zwischen den Produktionen stets viel Zeit genommen. Nach "Famous Last Words" (1982) und dem Ausstieg von Gründungsmitglied Rodger Hodgson erschienen in den letzten 20 Jahren mit "Brother Where You Bound" (1985), "Free As A Bird" (1987) und "Some Things Never Change" (1997) gerade mal drei Studioalben. Aber wenn die Band in ein Studio geht, kommt dabei in der Regel ein ebenso außergewöhnliches wie unverwechselbares Album heraus. "Slow Motion" macht da keine Ausnahme. Angefangen beim typischen E-Piano-Sound des Titelsongs über die spritzige Melodieführung bei "Goldrush" bis zu Helliwells allgegenwärtigem Saxophonspiel und dem seit "School" vertrauten Mundharmonika-Klang ist hier alles vorhanden, was den authentischen Supertramp-Flair ausmacht. Natürlich fehlen auch nicht die komplex instrumentierten Arrangements, die bei dem neunminütigen Jazz-Exkurs "Tenth Avenue Breakdown" und den mit raffinierten Dynamikwechseln und brillanten Soli glänzenden "Bee In Your Bonnet" und "Dead Man's Blues" für anspruchsvolle Klangarchitektur sorgen.
Dennoch ist "Slow Motion" kein direkter Ableger früherer Alben wie Rick Davies betont, der als Hauptinspiration Blues und Jazz und dabei besonders Blue Note-Alben aus den 50er und 60er Jahren nennt. "Die Songs sind weniger kompliziert als früher." "Und bieten Raum für Improvisationen", fügt John Helliwell hinzu. "Natürlich immer im Rahmen der Song- und Harmonie-Strukturen, die bei Supertramp immer wichtig sind." Und tatsächlich: Während man früher immer den Eindruck hatte,
dass kein Ton auf einer Scheibe von Supertramp zufällig dorthin geraten war, wirken jetzt manche Passagen geradezu spontan, was auch ein etwas anderes Live-Erlebnis erwarten lässt. Darüber hinaus bewegte sich die Band selten zuvor so locker und leicht im Spannungsfeld zwischen Rhythm'n'Blues, Jazz und Rock. "Over You" und "Sting In The Tail" etwa sind lupenreiner Barroom-Blues, "Broken Hearted" ein fast klassisches Stück Rock'n'Roll und "Little By Little" poppiger R&B á la Billy Joel. Diese attraktive Mischung aus Pop-Appeal, Rock-Energie und dem jazzgetönten Sound der vollmundigen Bläsersätze macht "Slow Motion" ganz im Widerspruch zum Titel zu einem der temperamentvollsten Alben in der langen Supertramp-Historie.
Die begann bereits lange vor der offiziellen Gründung 1969. Rick Davies, am 22. Juli 1944 in Swindon, achtzig Meilen westlich von London, geboren, bekam im zarten Alter von acht Jahren von seinen Eltern eine gebrauchte Musiktruhe - Radio plus Plattenspieler - mit magischem Inhalt geschenkt. Rick erinnert sich: "Der frühere Besitzer hatte ein paar LPs hinterlassen, darunter Gene Krupas 'Drummin' Man'. Die Musik traf mich wie Blitz und Donner. Ich glaube, ich habe die Platte 2000 mal hintereinander gespielt. Das war der Auslöser."
Auf der Kunstschule gründete er dann Rick's Blues Band, bei der der spätere Sänger Gilbert O'Sullivan Schlagzeug spielte. Rick schrieb seine ersten Songs, sparte sich das Geld für eine Vox Continental Hammond-Orgel zusammen und beendete seine Lehrlingsjahre, als er den holländischen Millionär Stan August Miesegaes in München kennen lernte, der ihm das nicht abzulehnende Angebot unterbreitete, eine neue Band zusammenzustellen, die er finanzieren wollte. Über eine Annonce im Melody Maker fand Davies geeignete Musiker, darunter auch den Gitarristen Roger Hodgson, für seine Band, die sich nach dem Buch von W.H. Davies, "The Autobiography Of A Supertramp", benannte.
Das LP-Debüt "Supertramp" ging 1970 sang- und klanglos unter. Die Band formierte sich neu und nahm "Indelibly Stamped" auf, das jedoch 1971 auch nicht erfolgreicher war als der Vorgänger. Sponsor Miesegaes zog sich daraufhin zurück, blieb jedoch bis zu seinem Tod vor einigen Jahren Davies auch weiterhin freundschaftlich verbunden. Seine investierten 100.000 Dollar zahlte die Band nach dem Volltreffer mit dem 1974 veröffentlichten, dritten Album "Crime Of the Century" zurück. Seit diesem Jahrhundertalbum, das ihren ausgetüftelten, kunstvoll inszenierten, kosmopolitischen Rock bekannt machte, zählte das wiederum neugestaltete Quintett neben Pink Floyd, Genesis und Yes zur High Society der Rockszene der 70er Jahre. Die Nachfolger "Crisis? What Crisis?" (1975), "Even In The Quietest Moments" (1977) und "Breakfast In America" (1979), das sich allein 14 Millionen mal verkaufte, dominierten die Hitlisten rund um den Globus. Das nächste Album "Famous Last Words" markierte die letzte Zusammenarbeit mit Rodger Hodgson, der Supertramp nach einer triumphalen Abschiedstournee 1983 zugunsten einer Solokarriere verließ.
Fortan ließen Davies, Helliwell und Siebenberg verstärkt durch diverse Gastmusiker, darunter David Gilmour von Pink Floyd auf "Brother Where You Bound" (1985), zwischen den Plattenproduktionen und Welttourneen viel Zeit verstreichen. Indes, ihren Ruf als eine der wenigen echten Klassiker der Rockmusik konnten sich Supertramp bis heute erhalten. Auch das neue Album "Slow Motion" lässt keine Zweifel aufkommen: Supertramp sind weiterhin in der Lage, virtuose, handwerklich ausgefeilte Songs zu kreieren. Some more for the road and a couple for back home.
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Irgendwo auf dem Mond. Ein älteres Ehepaar sitzt zur Teestunde an einem Bistro-Tisch. Ein Buch schwebt schwerelos vorbei. Der Mann greift nach einem Keks, der sich ebenfalls der Gravität entzogen hat. Die Frau schaut fasziniert zu. Im Hintergrund sehen wir den blauen Planeten. Das Familiäre und Vertraute kontrastiert hier mit dem Ungewöhnlichen und Phantastischen. Mit dem Cover-Artwork ihres neuen Albums haben Supertramp einmal mehr ihre musikalischen Ideen sehr gut umrissen. "Some Things Never Change" nennt die britische Band ihr erstes Werk seit zehn Jahren. Für die Fans dieser Supergroup, die bereits in den Siebzigern mit ihren Alben "Crime Of The Century", "Crisis? What Crisis?" und "Breakfast In America" Popgeschichte schrieb, dürfte die plötzliche Wiederkehr eine willkommene Überraschung sein.
Supertramp haben sich ihren exzellenten Ruf nicht nur mit ähnlich konzeptionellen Entwürfen erarbeitet wie die artverwandten Pink Floyd, sie beherrschen auch die Kunst, perfekte Hitsingles zu schreiben. "Dreamer", "Give A Little Bit", "The Logical Song" und "Take A Long Way Home" zählen heute zu den markantesten ihrer popveredelten Rocksongs. Mit den Singles ihres neuen Albums, den Auftakt macht "You Win, I Lose", werden noch einige neue Hits hinzukommen. Some things never change. Und Rick Davies, Sänger, Songwriter und Keyboarder, der die Band bereits 1969 gründete und sie nun reaktiviert hat, setzt sogar noch einen drauf. "Some make it fast, but they just come and go. I'm built to last and that's one thing I know", singt er in dem fast zehn Minuten langen Opener des Albums "It's A Hard World". Supertramp forever? In den nächsten Monaten auf jeden Fall, denn Supertramp gehen wieder auf Welttournee.
Für die Tournee und die drei Monate währenden Albumaufnahmen hat Rick Davies eine exzellente Truppe zusammengestellt. Neben dem Schlagzeuger Bob Siebenberg und dem Blasinstrumentalisten John Helliwell, die beide zur Originalbesetzung gehören, hat Rick Davies so versierte Musiker wie den Perkussionisten Tom Walsh (ex-Joe Cocker), Bassist Cliff Hugo (Ray Charles), Gitarrist Carl Verheyen und den Multi-Instrumentalisten Lee R. Thornberg (Tower of Power, Rod Stewart) an seine Seite geholt. Die größte Überraschung ist aber zweifellos der junge Keyboarder und Gitarrist Mark Hart, der zuletzt Crowded House mit seinem Talent bereicherte. "Some Things Never Change" enthält mit "Sooner or Later" und "Give Me a Chance" gleich zwei Kompositionen, die Rick Davies und Mark Hart gemeinsam schrieben. Ein ohne Reibungsverluste vollzogenes Treffen der Generationen.
Nach "Free As A Bird", Supertramps letzter Studioplatte aus dem Jahr 1987, hat sich Rick Davies eine lange Ruhepause gegönnt. Er nahm sich Zeit, neue Ideen zu sammeln, neue Erfahrungen zu machen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ein lohnenswerter kreativer Prozeß, denn seine Erkenntnisse flossen merklich in die Lyrics ein. Zum musikalischen Horizont von Supertramp gehörte zudem schon immer der charakteristische Sound der Wurlitzer, die Rick Davies stets einsetzte wie andere Musiker ihre Bluesgitarre. Heute ist dieser Sound ein Markenzeichen von Supertramp.
Dem renommierten Produzenten Jack Douglas (Aerosmith, John Lennon) ist es bei den Aufnahmen zu "Some Things Never Change" gelungen, dem signifikanten Sound von Supertramp den ihm gebührenden Raum zu schaffen. Neben der Wurlitzer gehören präzise akzentuierende Bläsersätze, perlende Pianoeinlagen und die Neigung zu melodramatischen Songstrukturen zu den typischen Merkmalen von Supertramp. Darüber thront die klare eindringliche Stimme von Rick Davies, der mit 52 Jahren im besten Alter eines Bluessängers angekommen ist. Seine Stimme besitzt nun die Reife eines jahrelang gelagerten Whiskeys. Doch Supertramp wären nicht Supertramp, wenn sie bei dem einen Dutzend neuen Songs nicht in die Vollen griffen.
Auf "Some Things Never Change" findet sich eine geballte Ladung jener verschollen geglaubten Kunst, die wohl am besten mit traditionellem Pophandwerk zu beschreiben ist. Eine gute Melodie allein genügt nicht. Supertramp erweitern ihre Songs um instrumentale Raffinessen und schillernde Nuancen: das tief funkelnde Blau des Blues, die samtrote Schummrigkeit eines Jazzclubs, euphorisch funkenstiebende Gospelstimmung und selbst locker lässige Funk-Fetzen. Supertramp haben ihrer Kreativität diesmal keine Grenzen gesetzt. Die sozialkritischen Grübeleien der frühen Tage sind verschwunden. Die nun vorherrschende lebensfrohe Nonchalance tut Supertramp sichtlich gut.
Schon in den frühen Sechzigern hatte Rick Davies erste Band-Erfahrungen gesammelt. In Rick's Blues, seiner ersten Band, saß der spätere Popsänger Gilbert O'Sullivan am Schlagzeug. Nach einer Stippvisite bei den Lonely Ones gründete Davies 1969 gemeinsam mit Roger Hodgson Supertramp, benannt nach W.H. Davies' Roman "The Autobiography of a Super-Tramp". Protegiert von einem niederländischen Millionenerben, gelang der Band jedoch erst 1974 mit ihrem dritten Album "Crime Of The Century" der internationale Durchbruch. Dabei setzten sie die Ideen ihres Konzeptalbums mit innovativen visuellen Mitteln künstlerisch in ihren Bühnenshows um. Heute zählt dieses Frühwerk von Supertramp zu den Meilensteinen des Progressive-Rocks.
Dem diesseits und jenseits des Atlantiks gerühmten und gepriesenen "Jahrhundertverbrechen" folgten mit "Crisis? What Crisis?" (1975), "Even In The Quietest Moments" (1977) und "Breakfast In America" (1979) drei weitere Million-Seller in Folge. In den Achtzigern machten sie weiter Furore. Zwei Live-Alben und die drei Studiowerke "Famous Last Words" (1982), "Brother Where You Bound" (1985) und "Free As A Bird" (1987), letztes zugleich das erste ohne Roger Hodgson, bildeten das Resultat dieser Dekade. Mit "The Very Best of Supertramp" hatten sich Supertramp bereits 1992 wieder in Erinnerung gebracht. Doch erst mit dem Erscheinen von "Some Things Never Change" kann sich ein Bild abzeichnen, das Supertramp für die Neunziger definiert. Einige Dinge haben sich bei Supertramp wirklich nicht geändert: die bestechende Qualität ihrer Songs, deren feingliedrig dramatischer Aufbau und ihr Leadsänger Rick Davies. Doch gerade mit den neu verpflichteten Musikern ist ein Zugewinn zu verzeichnen, der sich auch in bare Münze umsetzen lassen sollte.