ich mische mich als Schulschwänzer in die Debatte um das Turbo-Gymnasium (G ein. Statt 9 Jahre 8 Jahre zum Abitur. Ich habe die Wellen-Theorie des Lichts, das Huygenssche Prinzip nicht mitbekommen. Wenn wir Physik hatten, dann ging ich ins Kino. Mit 13 sah ich James Dean. Meine offizielle Erziehung endete mit 18, als ich durchs Abitur flog. Danach wurde ich ein glücklicher Mann.
Der Schriftsteller Peter Handke hat einmal gesagt, warum er keinen Führerschein hat. Er sagte: „Ich will mich nicht mehr prüfen lassen.“ Das Prüfen ist der Horror überhaupt. Wenn man geprüft wird, ist man automatisch ein Mensch zweiter Klasse. Als ich 17 war und alles den Bach hinunterlief, konnte ich nur noch an mich glauben. Der Lehrkörper glaubte nicht an mich. Meine Eltern glaubten nicht an mich.
Mein Rat an die Schüler von heute ist – schwänzt die Schule, lernt Eichelhäher von Eulen zu unterscheiden, guckt Bussarde an, die am Himmel kreisen, sitzt an kleinen Flüssen und guckt, wie die Forellen hochspringen. So wurde ich zwar kein Schriftsteller, aber immerhin der Kolumnist der BILD-Zeitung.
Lasst unsere Kinder aufwachsen wie Blumen.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner[b]
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: der Großstadtindianer Fr Apr 16, 2010 12:02 pm
Geboren am 7. August 1943 als Lehrersohn im mährischen Ölmütz.
Besuch einer Klosterschule in Regensburg; Umzug nach misslungenem Abitur nach Frankreich, Gelegenheitsjobs, Volontariat bei der Nürnberger Zeitung, Reporter bei Bild in München, dann bei Jasmin; Günter Prinz holt ihn zur Bild nach Hamburg; 1990 bis 1992 Chefredakteur der Bunten; 1991 außerdem Chefredakteur von Burdas Boulevardzeitung Super!; 1993 bis 1996 erneut Chefredakteur der Bunten; 1997 Wagner erfindet die Hauptstadt-Illustrierte Korsika, die jedoch nie erscheint; 1998 bis 2000 Chefredakteur von Springers B.Z. in Berlin; seit 2001 schreibt Wagner die Kolumne Post von Wagner, die von montags bis freitags in Bild erscheint.
Veröffentlichungen
Im September, wenn ich noch lebe. Leer: Leda Verlag 1990
Big Story. Roman. München: Goldmann Wilhelm Verlag 1985
Wolfsspur. München: Goldmann Verlag 1987
Das Ding. Leer: Leda Verlag 1984
Tätigkeiten als Ghostwriter für die Autobiografien von Franz Beckenbauer und Boris Becker.
Auszeichnungen
2002 Goldene Feder des Bauer-Verlags für »Post von Wagner«
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Liebe Tankstelle, Fr Apr 16, 2010 12:41 pm
ach, Deine Memoiren würde ich gern schreiben, als der Liter um die 50 Pfennig kostete. Du eine Bude warst mit zwei Zapfsäulen – und der Tankwart Zündkerzen und Luftfilter wechselte. Die Kanzler hießen Adenauer, Brandt. Kulenkampff gab’s im Fernsehen. Man kam gern zu Dir, liebe Tankstelle. Volltanken – und ab in die Freiheit. Als der Liter noch 50 Pfennig kostete, durften Unverheiratete nicht in ein Hotel (Kuppel-Paragraf). Wir fuhren für 50 Pfennig in den Wald. Sie, ich und mein treues Auto. Heute, liebe Tankstelle, bist Du ein Ort des Horrors geworden. Der Liter Superbenzin kostete gestern 1,459 Euro – zurückgerechnet fast 3 Mark. Dieser Preis für einen Liter ist erstickender als alle Auspuffgase – wer bitte, kann das bezahlen? Der kleine Autofahrer nicht mehr. Er wird sich die See abschminken müssen, die kühle Waldluft. Er wird nicht mehr rausfahren können. Er wird nicht mehr im froschgrünen Wasser schwimmen. Sein Leben wird leer sein – wie sein Tank.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Lieber Oskar Lafontaine, Fr Apr 16, 2010 12:42 pm
Lieber Oskar Lafontaine, wenn ich mir vorstelle, die Eltern, Frauen, Geschwister der drei ermordeten Soldaten in Afghanistan haben Ihnen bei Frau Christiansen zugehört – dann steigen mir Magensekrete die Speiseröhre hoch, um nicht zu sagen die Kotze. Sie, Lafontaine, warfen der Bundeswehr vor, „mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt zu sein“. Was bitte muss sich da eine weinende Mutter anhören – aus dem Fernseher, aus Ihrem Mund? Doch nichts anderes, als dass ihr Sohn einer bösen Sache diente und deshalb auch ein böses Ende nahm.
Der Skandal Nummer 2 in dieser Christiansen-Sendung war, dass der Verteidigungsminister Franz-Josef Jung nuschelnd weiter argumentierte. Er hätte aufstehen müssen, die Sendung platzen lassen müssen. Es gibt eine Grenze – Lafontaine hat sie überschritten. Niemand stand auf. Alle ließen ihn reden. Die toten Soldaten wurden bei Frau Christiansen im Müllgrab der Worte begraben.
Wie gesagt, die Magensekrete krochen die Speiseröhre hoch, und ich kotzte dann wirklich.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
es muss eine Bedeutung haben, dass Ihr am Ende immer weint. Mit „so ist Fußball..., so ist das Leben“ ist das nicht beantwortet. Euer Weinen hat mit der Tatsache zu tun, dass Ihr an Schalke glaubt, wie ich an Jesus Christus. Das ist ein Frevel.
Fußball ist kein Gott. Es steht auch nicht die Welt auf dem Spiel, wenn Ihr gegen Dortmund verliert. Wir weinen für Aidskranke, Afrika, die Hungersnot, die Wassernot, wir weinen um unsere Welt.
Für Schalke zu weinen ist ein Luxus.
Wird ein Aidskrankes Kind in Afrika gerettet, wenn Schalke deutscher Meister wird?
Ich finde, wir weinen um die falschen Sachen.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Liebe Dicke Fr Apr 16, 2010 12:43 pm
gestern in meinem Lieblings-Restaurant (Adnan, Berlin) saß rechts von meinem Tisch eine Dame, die man korpulent nennen darf. Ende 30, Anfang 40. Ihr Haar, in der Mitte gescheitelt, fiel goldbraun über ihr Butterblumen-Gesicht. Sie trug eine Art Business-Kostüm, das vielleicht eine Nummer zu eng war. Zwei, drei Wülste traten über Ihre Hüften hervor. Ihr Rock ließ ihre Kniekehlen frei. Ich sah feste Beine in Baumstärke. Ich schätzte sie auf 70 bis 80 Kilo. Sie aß Sahnenudeln mit Filetspitzen, wie mir der Kellner hinterher berichtete. Wenn sie was sagte, dann lachte der ganze Tisch. Sie platze aus allen Nähten ihres Kostüms und vor Lebensfreude.
Als sie dann aufstand mit einem Po wie der Mond, war ich glücklich. Ich hatte einen wonnigen Menschen gesehen. Alle reden zur Zeit über die Aktion der Bundesregierung „Fit statt fett“. Wer jemals diesen Hintern meiner Restaurant-Begegnung gesehen hätte, würde sich für dick und fröhlich entscheiden.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Liebe Rentner Fr Apr 16, 2010 12:44 pm
Träume werden wahr! Nach drei Nullrunden werden die Renten angehoben – um 0,54 Prozent. Das feiern wir aber jetzt alle mit einem Freudenfest: Rindfleischmedaillons, Birnentorte und eine Zigarre. Meine Lieben, bitte nicht, es war ein Scherz, Ihr würdet Euch über Monate verschulden. Wer bisher 750 Euro Rente hatte, kriegt ab 1. Juli 4,05 Euro mehr
Ich fühle Verlegenheit, Scham und Wut. Verlegenheit deshalb, weil meine Mutter das Essen streckte und eine Mark 4 Tage Essen war. Damals schrieben wir das Jahr 1946, wir waren Flüchtlinge, schon 10 Pfennige waren Glück.
Damals war es eine andere Welt. Niemals mehr dachte ich, dass Menschen mit Kleingeld erniedrigt werden können. Mit 4 Euro.
Wenn ich am Grab meiner Mutter stehe, dann erzähle ich ihr nichts von der Rentenerhöhung. Sie hat es irgendwie geschafft, dass ich immer die besten Bissen bekam. Sie hat damals gebettelt, sie hat sogar ihren Ehering verkauft, damit ich Milch bekam. Wie ich meine Mutter kenne, hätte sie jede Rentenerhöhung begrüßt. Jeden Cent hätte sie aufgekratzt, um ihre Familie zu retten.
Das alles ist 60 Jahre her – und wir sind keinen Schritt weiter.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Liebe kleine Liv Fr Apr 16, 2010 12:46 pm
eine dreijährige Enkelin, wenn Du erwachsen bist, dann wird es wahrscheinlich keine in Freiheit lebende Eisbären mehr geben. Knut im Berliner Zoo wird überleben. Aber ist das ein Leben? Ein Leben hinter Gittern? Irgendwann, ganz früh in der Geschichte unseres Lebens, gab es mehr Tiere als Menschen. Heute ist es umgekehrt. Den Bison gibt es nicht mehr, die Rhinozerosse kann man zählen, die Wale, die Löwen, die Tiger, die Eisbären.
Als ich klein war wie Du, liebe Liv, hörte ich noch Eulen nachts im Garten meiner Eltern und manchmal eine Nachtigall. Was für schöne Geräusche. Und wie öde und leer sind unsere Bäume heute. Unsere Geräusche sind Baufirmen, Lkw-Fahrer, startende Flugzeuge. Wir haben durch unsere Geräusche die Geräusche der Tiere verscheucht. Die Nachtigall, den Frosch, das wiehernde Pferd, den flatternden, geräuschlosen Schmetterling, den Dachs in seiner Höhle, den erhabenen Adler.
Liebe Liv, meine kleine Enkeltochter, Du wirst in einer Welt aufwachsen ohne die Geräusche Deines Großvaters. Du wirst das Singen nicht mehr hören, die Albernheit von Meisen, Spatzen, Finken, Staren.
Wenn der Eisbär stirbt – dann seid Ihr Kinder die Nächsten.
In Liebe Dein Großvater
F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
im goldenen Minikleid (ohne Höschen, weil es unfotogen durchdrückt) „begraben Sie Ihre Karriere in der Park-Avenue“, schrieb die FAZ. Auf 6 Doppelseiten der Zeitschrift „Park Avenue“ lassen Sie sich in Domina-Posen – mit Latex-Handschuhen und gespreizten Beinen – fotografieren. Die Fotos sind klassische Pornografie. Der pornografische Voyeur lebt in der Qual, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Kein Foto löst in mir den Impuls aus, Sie zu lieben bzw. zärtliche Worte mit Ihnen zu flüstern. Kein Mann liebt eine Frau in einem Porno-Film.
Auf all diesen Fotos sind Sie angezogen, nichts Nacktes. Sie sind die Frau dazwischen. Warum machen Sie das? Warum sind Sie nach Ihrem Stoiber-Triumph nicht die brave, allein erziehende Mutter geblieben? Warum lassen Sie sich so fotografieren?
Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.
Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Liebe Narren Fr Apr 16, 2010 12:54 pm
morgen ist Eure Zeit um. Aschermittwoch. Der Mensch wird zu Asche. Gedenke, dass du sterblich bist. Gott liebt keine Grimassen. Aber Gott ist schon lange fort in unserer Gesellschaft. Wir haben das ganze Jahr Karneval – und nicht nur in Köln, Düsseldorf, Mainz. Wir sind das ganze Jahr heiter, angeheitert. Wir haben ein Cognacglas in der Hand, die andere Hand auf dem Schenkel einer Kollegin.
Der Leichtsinn des Karnevals ist längst Alltag/Allnacht. Das absichtliche Berühren der Unterarme, das Zutrauen der Hände, die Sicherheit hinter der Maske. All das ist Karneval. Aber all dies geschieht jede Nacht. Früher waren es Karnevalssünden, heute sind es Alltagssünden. Wir sind heiter und immer heiterer und haben das ganze Jahr Narrenkappen auf. Die Narrenkappen des Jahres vergebe ich an die Feuilleton-Redakteure. Sie schrieben eine 17-Jährige zu einer Literaturgöttin hoch, die ihre Texte abgeschrieben hat. Was für Narren!
Wir Deutschen wissen nicht mehr, was Aschermittwoch ist. Wir Deutschen sollten weniger saufen, auch die Feuilleton-Redakteure.
Herzlichst Ihr Franz Josef Wagner
Ihr F. J. Wagner
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Liebe Soldatenfrauen, für alle, die einen Sohn oder Lebenspartner in Afghanistan haben, ging gestern Mittag die Welt unter. Ist es unser Sohn? Ist es mein Mann? Das Internet verbreitete die Nachricht zuerst, dann das Radio.
Manche hörten die Nachricht im Auto oder in den 15-Uhr-TV-Nachrichten. Ich denke, dass alle zu beten anfingen. Lieber Gott, nicht unser Sohn, lieber Gott, nicht mein Mann.
Es gibt inzwischen Familienbetreuungszentren der Bundeswehr, wo Angehörige anrufen können. Aber sie bekommen dort keine Auskunft, weil die Bundeswehr den Tod von Soldaten nicht telefonisch mitteilt. Erst wenn ein Bataillonskommandeur in Begleitung eines Militärpfarrers und eines Psychologen an der Tür klingelt, dann weiß man es.
Es gibt nichts Schlimmeres, als auf eine Straße zu starren, auf der sich ein Auto nähert und vor der Hausnummer hält, wo man wohnt. Männer in Bundeswehruniform steigen aus und sagen den schlimmsten Satz: „Einsatzbedingt ums Leben gekommen.“
Es sterben Soldaten und jetzt sterben die Familien. Wie unerträglich.
Herzlichst Ihr Franz Josef Wagner
Ihr F. J. Wagner
vom 16.04.2010
VelvetMonkey Stammuser
Anzahl der Beiträge : 599 Bewertungssystem : 2 Anmeldedatum : 06.01.10 Alter : 62 Ort : Hessen
Thema: Link zur Post von FJW bei bild.de Fr Apr 16, 2010 1:21 pm